Seit Ostern herrschte in der Cuxhavener Kiterszene mit überregionalem Echo große Aufregung: Der Antrag zur Verlängerung der Befreiung von den Bestimmungen des Nationalparkgesetzes in zwei Kite-Gebieten – Sahlenburg und Kugelbake - konnte bis dahin nicht genehmigt werden. Es bedurfte vielfältiger Gespräche, um den Sachverhalt vor Ort zu erklären und auf die Probleme, die mit dem Kite-Surfen im Weltnaturerbegebiet und Nationalpark bestehen, hinzuweisen. Insbesondere war der ursprüngliche Antrag auf zwei Ausnahmegebiete nicht ausreichend begründet, so dass zunächst die Befreiung nur für den Standort Sahlenburg, der ersten Priorität der Antragsteller, ausgesprochen werden konnte.
Um zu einem direkten Meinungsaustausch zu kommen und das offensichtliche Informationsdefizit zu beheben, aber auch den Beteiligten die Möglichkeit zu geben, neue bislang nicht vorgelegte Argumente auszutauschen, trafen sich am Montag auf Initiative des Oberbürgermeisters von Cuxhaven, Dr. Ulrich Getsch, und des Leiters der Nationalparkverwaltung, Peter Südbeck, Vertreter der Nordseeheilbad Cuxhaven GmbH, ein Repräsentant der Kitesurfer Cuxhavens, des Umweltverbandes BUND, der Stadt sowie der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven am „Runden Tisch“, um im direkten sachlichen Gespräch einer Lösung des Streits näher zu kommen.
Dabei trugen die Stadt Cuxhaven, die Nordseeheilbad GmbH und ein Vertreter der Kitesurf-Schulen neue Sachverhalte und Begründungen für die Beibehaltung beider Surfstandorte – neben Sahlenburg auch der an der Kugelbake - vor, die im bisherigen Verfahren nicht bekannt waren und somit von der Nationalparkverwaltung nicht berücksichtigt werden konnten. Gleichzeitig wurde der Nationalparkverwaltung ein Kompromissvorschlag zur Neuabgrenzung und zur verbesserten Kontrolle beider Surfareale im Stadtgebiet unterbreitet. Die Vertreter der örtlichen BUND-Gruppe brachten vor allem die Schutzbelange des Nationalparks ein, hier ging es um die Bedeutung des Standortes Kugelbake für überwinternde Eiderenten und Zugvögel, die zwischen Herbst und Frühjahr direkt über die Fläche hinwegziehen.
Der Vertreter der Kitesurfer schilderten die Ausübung des Kitesports, insbesondere vor dem Hintergrund wechselnder Windverhältnisse, erläuterten aber auch die durchgeführten und beabsichtigen Überwachungsmechanismen in Zusammenarbeit mit der Nordseeheilbad und der Stadt Cuxhaven sowie der Wasserschutzpolizei.
Angesichts der neu vorgetragenen Sachverhalte hat die Nationalparkverwaltung nun entschieden, dass auch zukünftig an den beiden Cuxhavener Standorten, Sahlenburg und Kugelbake, gekitet werden darf, allerdings unter veränderten Rahmenbedingungen. Um den Schutz der Nationalpark-Ruhezone Duhner Anwachs weiter zu verbessern, werden beide Surfstandorte in ihrer Größe verkleinert. Im Winter steht nur der Standort Sahlenburg für die Ausübung des Sports zur Verfügung. Der Standort Kugelbake bleibt aus Gründen des Vogelzuges dann jeweils vom 1.11. bis zum 31.3. geschlossen. Stadt und Nordseeheilbad GmbH werden überdies zu einer weiter verbesserten Kennzeichnung und Aufsicht der Standorte verpflichtet, ebenso zu einer vertieften Information gegenüber den Kitesurfern über die Grenzen und Möglichkeiten des Kitesurfsports und dessen Auswirkungen auf die Natur im Nationalpark und Weltnaturerbegebiet Wattenmeer.
Diese Regelung wird bereits heute in Kraft gesetzt.
„Wir sind davon überzeugt, mit der nun gefundenen Lösung den Schutz des Nationalparks und Weltnaturerbegebietes sicherstellen zu können, gleichzeitig aber auch den regionalen Belangen Cuxhavens als Sport- und Tourismusstandort Rechnung getragen zu haben. Die Ergebnisse am „Runden Tisch“ haben mir gezeigt, dass mit dieser Lösung Naturschutz und Sport gleichermaßen zufrieden sein können. Darüber hinaus haben wir vereinbart, mit der Stadt Cuxhaven und der Nordseeheilbad GmbH eine Kooperation einzugehen, die den Schutz der Natur und die Stärkung eines enger an den Prinzipien der Nachhaltigkeit ausgerichteten Tourismus in Cuxhaven zum Ziel hat, wie es jüngst in der nachhaltigen Tourismus-Strategie zum UNESCO-Weltnaturerbegebiet Wattenmeer zwischen den Wattenmeerstaaten niedergelegt wurde. Dann gelingt es, aus diesem schwierigen Verfahren heraus zu einer in Zukunft verbesserten Art und Weise der Kooperation im Weltnaturerbegebiet und im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer zu kommen“ fasst Nationalparkleiter Peter Südbeck das Verfahren zusammen.
Hintergrund-Info:
Die Nationalparkverwaltung trifft ihre Entscheidungen nicht im freien Ermessen. Tatsächlich ist das Kitesurfen im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer grundsätzlich verboten. Rechtsgrundlage ist das vom Niedersächsischen Landtag beschlossene Nationalpark-Gesetz, fachliche Grundlage die Tatsache, dass Kites jeder Art eine weiträumige Scheuchwirkung auf Brut- und Zugvögel haben – sie nehmen die beweglichen Silhouetten am Himmel instinktiv als Greifvögel wahr.
Die Nationalparkverwaltung hat jedoch die Möglichkeit, von grundsätzlichen Verboten Befreiungen auszusprechen, wenn regionale Belange davon betroffen sind. In diesem Sinne wurden seit 2007 auf Antrag der Kommunen sukzessive Flächen in der Zwischenzone des Nationalparks zum Kitesurfen freigegeben. Nachdem die befristeten Befreiungen im letzten Herbst ausliefen, konnten alle interessierten Kommunen 2013 neue Anträge stellen und in der Gesamtbetrachtung wurden die Spots in Anzahl und Fläche so bemessen, dass der Schutz des Nationalparks und Weltnaturerbes gewährleistet bleibt, in diesen Regionen aber die Kiter auch die Möglichkeit haben, auf´s Wasser zu kommen.